Cosmic Communist Constructions Photographed – Frederic Chaubin

Frédéric Chaubin, Cosmic Communist Constructions Photographed, Hardcover, 26 x 34 cm, 312 Seiten, € 39.99
ISBN: 978-3-8365-2519-0

Bei seinen Reisen durch die Staaten der ehemaligen Sowjetrepubliken stieß der Fotograf Frédéric Chaubin durch einen Zufall auf die futuristischen Bauten einer fast vergessenen Epoche der sowjetischen Architektur. In einem Antiquariat fand er die Abbildungen von zwei ungewöhnlichen Bauwerken in einem Buch über die Architekturgeschichte der ehemaligen Sowjetrepubliken. Beeindruckt von deren eigenwilliger Formensprache abseits der konformistischen Staatsarchitektur suchte Chaubin in der UdSSR gezielt nach ähnlichen Bauwerken und spürte sie auf in den Teilrepubliken der einstigen Sowjetunion: in Armenien, Georgien, Litauen, der Ukraine, Kasachstan, Tadschikistan und anderen ehemaligen Mitgliedsstaaten. Die neunzig abgebildeten Bauwerke, in der spät-sowjetischen Phase der 1970er Jahre bis zum Zusammenbruch des Sowjetreiches entstanden, erinnern an die utopischen Kulissen von Science-Fiction-Filmen.

Die radikale Ästhetik dieser Architektur steht im deutlichen Widerspruch zur etablierten „Staatsarchitektur“. Anders als im Suprematismus der 20er oder dem sozialistischen Klassizismus der 50er Jahre zeigen diese Bauten keine einheitliche Formensprache. Vielmehr offenbart sich eine große Freiheit der Ausdrucksmittel, die weit über die jeweiligen Stilanleihen hinausgeht. Die Besessenheit von der Eroberung des Weltraums, die in den 50er Jahren im Wettstreit mit den USA begann, fand vereinzelt ihren formalen Ausdruck in einer avantgardistischen Architektur.

My hope is that this „archaeology of the present,“ while not exhaustive, will allow readers to share my emotions as they learn about a long-forgotten reality, and that it will vividly convey the dreams of forgotten sometimes nameless architects. This piece of research is a hommage to their extravagance. – Frédéric Chaubin

Die großartigen Fotos der zum Teil bizarren, an Raumstationen erinnernden Baukörper aus Stahl und Beton fesseln den Betrachter mit ihrer andersartigen Erscheinung. Sie wirken fremdartig, wie aus einer anderen Epoche und wecken das Interesse an ihrer Entstehungsgeschichte. In diesem Punkt kann der sonst so großartige Fotoband leider nicht ganz befriedigen. Hier hätte ich mir, und damit stehe ich sicherlich nicht alleine, etwas mehr Hintergrundinformationen gewünscht; zumal die jüngeren Generationen in den ehemaligen Sowjetrepubliken wenig bis kein Interesse an der Bewahrung dieser einzigartigen Bauwerke zeigen. Wesentlich mehr Informationen zu den Bauwerken liefert Jörn Börner in seinem Buch Zwischen Stalin und Glasnost. Sowjetische Architektur 1960 bis 1990 über das ich hier ausführlicher berichtet habe.

Von einigen dieser Gebäude wird die Fotografie in diesem Bildband wohl bald das letzte Zeugnis vor dem Vergessen sein. Nicht zuletzt diese traurige Gewissheit macht dieses Buch so wertvoll. Ich bin sicherlich nicht der einzige Leser, der auf eine Fortsetzung dieser Entdeckungsreise hofft. Ich kann dieses Werk jedem an Architektur interessierten Leser wärmstens ans Herz legen.

Der Fotograf

Frédéric Chaubin wurde 1959 in Phnom Penh geboren. Seit 15 Jahren prägt er als Chefredakteur das französische Lifestyle-Magazin Citizen K und veröffentlicht dort regelmäßig künstlerische Fotoreportagen. Das Material für diesen Bildband nahm er bei seinen zahlreichen Recherchereisen durch die früheren Sowjetrepubliken in den Jahren zwischen 2003 und 2010 auf.

Cosmic Communist Constructions Photographed, Hardcover, 26 x 34 cm, 312 Seiten, € 39.99 – ISBN: 978-3-8365-2519-0

Abbildungen mit Genehmigung des Taschen Verlags, Copyright: Frédéric Chaubin

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Ich bin Webdesigner und -developer, Hobbyfotograf und Kunsthistoriker mit einer Leidenschaft für Architektur- und Portraitfotografie. Die Fotoleidenschaft begann im Alter von 10 Jahren mit einer Canon FTP, die mich über 20 Jahre und einige 10.000 Fotos ohne Probleme begleitet hat. Seit dem Umstieg auf die Digitalfotografie bin ich nun ins Nikonlager gewechselt und habe diese Entscheidung nie bereut.

5 comments

  • juliane sagt:

    Den zeitlichen Abstand zum Sputnik-Erfolg find ich an der Stelle schon bemerkenswert und werd nochmal genau nach der Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung schauen.
    Ich verstehe schon, dass diese futuristische spacige Architektur nicht mit dem Stil der organischen Architektur gleichzusetzen ist, aber grundsätzlich fällt mit bei dem sci-fi-Kram auf, dass rechte Winkel vermieden werden und häufig Ecken abgerundet werden etc. Das scheint für mich schon zumindest auf natürliche Formen(vermutlich hab ich hier einfach nicht den richtigen Begriff parat gehabt) zurückzugreifen, wenn auch in ganz anderer Weise als bei organischer Architektur. Allerdings konnte ich noch in keinem Artikel etwas zur Formsprache finden, denn beispielsweise auch die kantigen Formen erinnern doch stark an Kristalle oder Gesteinsschichten.

  • juliane sagt:

    Hallo, ich habe mir diese woche den bildband ebenfalls gekauft und bin ebenso angetan. ich werde ihn als anregung für schüler auslegen, die ungewöhnliche architektur entwerfen sollen. beim durchlesen deines artikels ist mir eines aufgefallen: ich sehe durchaus einen roten faden durch wenigstens die meisten der gebäude und konstruktionen – organische architektur. organische formen als grundlage für sci-fi-konstruktionen, auch in filmen dominierend. stimmst du mir so weit zu?
    schöne grüße

    • Dieser ‚Architekturstil‘ hat sich in der Ära des ‚Space Age‘ ausgebildet, der mit dem Start des Sputnik um die ganze Welt ging. Insofern haben der Traum von der Eroberung des Weltalls und futuristische Visionen des Lebens auf der Erde großen Anteil an der Ausbildung dieser eigenwilligen Formensprache. Interessanterweise weichen die Architekturformen stärker von der Staatsarchitektur ab, je weiter die Teilrepublik vom Einfluss der Machtzentrale in Moskau entfernt liegt. Es war also nur eine Strömung, die entgegen dem vorherrschenden Stilkanon vereinzelt in den Randbereichen der UDSSR auftrat.
      Als organisch würde ich die Architektur generell nicht bezeichnen, da gibt es auch ganz streng geometrische, kantige Beispiele. Die Formensprache war einfach weitgehend frei. Organische Architektur gab es zu der Zeit eher im Westen, z. B. in Frankreich und auch in Deutschland. Das Olympiagelände in München und die Bauten der Expo1967 in Montreal, Bauten der Architekten Otto Frei, Pascal Haüsermann, Antti Lovag, Guy Rottier und Jean-Louis Chanéac sind hierfür gute Beispiele. Da wollte ich auch mal einen eigenen Artikel drüber schreiben. Ich komm im Moment aber einfach nicht dazu. Das Futuro ist übrigens auch sehr interessant. https://www.pixelrakete.de/das-futuro-eine-vision-der-zukunft-von-matti-suuronen/ :)

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